Huikes geistiger Frieden

Deutsche Übersetzung der überlieferten Chan-Erzählung "慧可安心 - Huike's Settled Mind" mit einem Kommentar vom ehrwürdigen Meister Hsing Yun aus seinem Buch 禪話禪畫 - Chan Heart, Chan Art

Nachdem Chan-Meister Shenguang Huike über Berge und durch Täler gewandert war, kam er schließlich am Shaolin-Tempel nahe des Berges Song an, wo er dem Patriarchen Bodhidharma seinen Respekt erweisen wollte. Er fragte Bodhidharma, ob dieser ihn als Schüler aufnehmen und ihm Anweisungen geben könne. Bodhidharma jedoch, der, das Gesicht zur Wand gerichtet, meditierte, ignorierte den Besucher nur. Huike harrte im Freien aus, während ein Unwetter wütete und heftig Schnee fiel. Nach längerer Zeit war so viel Schnee gefallen, dass sogar seine Knie davon verdeckt wurden.

Als Bodhidharma bemerkte, dass der Besucher tatsächlich aufrichtig den Dharma anstrebte, fragte er ihn: „Du stehst nun schon sehr lange draußen im Schnee. Was genau erhoffst du dir dadurch?“

Huike antwortete: „Mein einziger Wunsch, ehrwürdiger Meister, ist es, dass Sie das Tor des süßen Taus öffnen und die Gesamtheit aller Lebewesen befreien.“

Bodhidharma entgegnete: „Trotz endlos langer kosmologischer Zyklen voller Hingabe und Fleiß, in denen praktiziert wird, was schwer zu praktizieren ist, ausgehalten wird, was schwer auszuhalten ist, kann der höchste, wundersame Weg des Buddha dennoch nicht erreicht werden. Du, mit deiner albernen und arroganten Art, der du dich nach dem wahren Fahrzeug sehnst, mühst dich vergeblich ab.“

Huike, den diese Äußerung ermutigt hatte, amputierte sich daraufhin auf der Stelle vor Bodhidharma mit einem Schneidwerkzeug einen Arm. Hierauf sagte Bodhidharma: „Alle Buddhas, die wegen des Dharma nach dem Pfad strebten, vernachlässigten ihre physische Form. Jetzt, da du dir den Arm amputiert hast, wonach strebst du noch?“

Huike sprach: „Der Geist deines Schülers ist noch sehr unruhig. Bitte, Patriarch, verschaffe mir geistigen Frieden.“

Bodhidharma rief nun laut: „Bring deinen Geist hervor. Ich werde ihn für dich beruhigen.“

Verdutzt sagte Huike: „Ich kann meinen Geist nicht finden.“

Bodhidharma lächelte und sprach: „Hiermit habe ich dir geistigen Frieden verschafft.“

Huike war in einer Lage, in der er nicht mehr weiterwusste. Dann jedoch kam der Wendepunkt und er trat ein. Letztendlich hatte er eine große Erleuchtung. Unsere Leiden sind im Grunde leer. Unheilsames Karma besitzt ursprünglich keine eigene Gestalt. Der Punkt, an dem das Bewusstsein den Zustand des Nirwana erreicht, an dem keine Täuschungen und Gedanken mehr aufkommen, ist die höchste Erleuchtung - der Pfad des Buddha. Wenn es dir gelingt, einen wahrhaftigen Geist mit Gleichmut zu bewahren, wird deine Buddhanatur zum Vorschein treten.


(© 2019.07, FGS Frankfurt, Übersetzung : 張展翊;Korrekturlesen : 張領豪 )